Sprachkurse und Schlössertour – wie passt das zusammen? Wir möchten euch dazu diesmal die Flüchtlingshilfe Greven der Katholischen Pfarrgemeinde St. Martinus aus dem Kreis Steinfurt vorstellen. Sie leistet auf ganz verschiedenen Wegen einen wertvollen Beitrag zur Integration von Menschen mit Fluchterfahrung.
Die Flüchtlingshilfe Greven
Im Integrationskonzept der Stadt Greven ist diese Initiative, wie alle anderen die in Greven aktiv sind, sehr gut beschrieben: “Die Flüchtlingshilfe der Katholischen Pfarrgemeinde St. Martinus hat sich im Frühjahr 2014 gegründet und setzt sich im Kernbereich der Stadt Greven für die Belange von Geflüchteten und Asylsuchenden ein. Ein wichtiges Angebot sind die spendenfinanzierten Sprach- und Alphabetisierungskurse für Asylbewerberinnen und Asylbewerber unabhängig von ihrer Bleibeperspektive, die in Kooperation mit der Volkshochschule Emsdetten-Greven-Saerbeck, dem Bildungsinstitut Münster e.V. und dem Caritasverband Emsdetten Greven e.V. umgesetzt werden …”. (Quelle: Integrationskonzept der Stadt Greven, 08/2018, S. 13)
Weitere Angebote der Flüchtlingshilfe Greven sind:
– Geflüchtete Einzelpersonen und Familien über Patenschaften betreuen
– Gruppenangebote und größere Einzelaktionen für geflüchtete Kinder und Jugendliche
– Projekt „Greven integriert“: Sprechstunden zur Erstellung von berufsbezogenen Bewerbungsmappen
– Intensive Betreuung von geflüchteten Schulkindern im Rahmen von Lernpatenschaften
– „Begegnungscafé“: Monatliche Austauschtreffen für engagierte Grevener/innen sowie Geflüchtete
– Akquise von Spendenmitteln (für Sprachangebote, Angebote der Bildung und gesellschaftlichen Teilhabe, anteilige Finanzierung einer sozialarbeiterischen Fachkraft + FSJ-Stelle)
– Gewinnung, Begleitung und Qualifizierung der Ehrenamtlichen
In Kooperation mit der Flüchtlingshilfe Greven konnten das BIMS seit 2016 mehrere aufeinander aufbauende Angebote für Geflüchtete mit geringer Bleibeperspektive durchführen. “Vielleicht die einzige Chance…” lautete damals die Überschrift eines Presseartikels über unseren spendenfinanzierten Sprachkurs (WN Greven, 25.02.2017). Zum einen wurden über den Artikel unser Kurs und die Problemlagen der Zielgruppe bekannt gemacht, zum anderen konnten so weitere Spendengelder akquiriert werden. Warum Spendengelder benötigt wurden und werden? Flüchtlinge aus den sogenannten “sicheren Herkunftsländern” haben keinen Anspruch auf eine Regelförderung über Mittel vom Jobcenter, der Agentur für Arbeit oder des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Zu diesen sicheren Herkunftsländern zählt – für viele unbegreiflich – z.B. auch Afghanistan. Fakt ist, dass viele Flüchtlinge hier bleiben wollen, aber wie soll ihre Integration ohne ausreichende Deutschkenntnisse funktionieren? Und genau da setzt unsere Kooperation an. “Die Teilnehmer brauchen ein Sprachniveau, dass ihnen erlaubt, arbeiten zu gehen.” bringt es Dr. Bernhardt Hülsken von der Grevener Flüchtlingshilfe auf den Punkt.
Kooperation Flüchtlingshilfe Greven & BIMS: unsere Angebotspalette
- Alphabetisierungskurse: für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten ohne gute Bleibeperspektive, die nicht lateinisch alphabetisiert waren, über kaum bis keinerlei Schulbildung und/oder über keine/wenig Kenntnisse der deutschen Sprache verfügten
- Sprachkurse “Deutsch“: für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten ohne gute Bleibeperspektive, die über kaum bis keinerlei Kenntnisse der deutschen Sprache verfügten
- „Austauschgruppe für Akademiker” (Akademischer Zirkel): ein begleiteter Konversationszirkel für Flüchtlinge, die das C1-Niveau erreichen wollten
- Sprechstunde: Beratung von A wie “Aufenthaltsstatus” bis Z wie “Zulassung”
Lernziele: von … bis …
- funktionale Alphabetisierung (Niveau A1)
- Erwerb von Grundkenntnissen der deutschen Sprache (Niveau A2 – B1)
- Training und Ausbau bereits vorhandener Fertigkeiten: Hören und Sprechen, Leseverstehen
- Förderung der Lernkompetenzen, Erwerb von Lernstrategien
- Vermittlung landeskundlicher Informationen und wichtiger Informationen für den Alltag
- Erlangen von Sprachperfektion (Niveau C1)
Die Sprachkurse fanden schnell großen Anklang und waren auch für die Familien der Teilnehmenden ein wichtiger Schritt zur Integration in der neuen Heimat. Ein besonderes Merkmal der meisten Teilnehmer/innen: Motivation bis in die Haarspitzen! Nachzulesen ist dies in den aussagekräftigen Presseberichten der Westfälischen Nachrichten-Greven (10/2016, 02/2017, 07/2018 ) und in den Martini-News. Unsere Teilnehmer/innen waren sehr stolz, wenn sie einen Bericht über ihren Sprachkurs mit ihrem Foto in den Händen hielten, den sie dann an die Familie im Heimatland senden konnten.
Best Practice Beispiele
– von A wie “Alphabetisierung” bis Z wie “Zulassung” –
Wir haben viele fleißige Teilnehmerinnen und Teilnehmer kennengelernt, die ihre ersten Schritte in der deutschen Sprache in einem Alphabetisierungskurs gemacht haben. Einige haben sogar überhaupt zum ersten Mal in ihrem Leben eine “Schule” besucht und mussten auch die Stifthaltung erst erlernen.
Ein “Mann der ersten Stunde” ist Ibrahim Al Housein (35 J.) aus dem Libanon. Er zeigte schon im ersten von der Flüchtlingshilfe Greven mit Spenden finanzierten Alphabetisierungskurs großen Eifer und ist bis heute am Ball geblieben. Aktuell absolviert er einen regulären, vom BAMF geförderten, Integrationskurs beim BIMS in Greven. In seiner Heimat war Herr Al Housein Koch in der Systemgastronomie. Seine Fähigkeiten als Koch zeigte er den Kursteilnehmern schon beim gemeinsamen Kochen, er präsentierte ihnen den perfekten Burger! (Foto links: Sandra West & Ibrahim Al Housein, praktisches Erlernen der deutschen Sprache beim Kochprojekt)
An diese beruflichen Kenntnisse möchte Herr Al Housein in Deutschland anknüpfen, aber ohne Sprachkenntnisse (und Kenntnisse über das lateinische Alphabet) ist auch der einfachste Job nicht zu erledigen. Nach 2 Jahren Sprachkursteilnahme sieht es da schon ganz anders aus. So sind nun z.B. dank der erworbenen Sprachkenntnisse für ihn als fünffachen Vater auch Termine im Kindergarten und in der Schule kein Problem mehr. Trotz immer noch beengter Wohnsituation im Container strahlt er im Deutschkurs viel Optimismus und Lebensfreude aus. Nächstes Ziel nach dem Ende des Sprachkurses im Mai 2019: eine Anstellung finden … und natürlich noch weiter Deutsch lernen.
Eine Innovation der Kooperation mit der Flüchtlingshilfe Greven ist der Akademische Zirkel. In diesem Zirkel konnten geflüchtete Akademiker 2018 unter Anleitung von Dr. Klute, DaF/DaZ-Sprachlehrer des BIMS, ihr Sprachniveau individuell verbessern (Ziel Niveau C1) und sich auf ihre Berufsziele vorbereiten. Der syrische Apotheker Sadek Alfaraj (s. Foto rechts) konnte in dieser Kleingruppe gezielt für die Zulassung als Apotheker in Deutschland lernen. In vielen intensiven Unterrichtseinheiten wurde sowohl die Fachsprache als auch das Kundenberatungsgespräch trainiert. Mit Erfolg! Herr Alfaraj hat die Apothekerprüfung vor der Apothekerkammer in Münster mit Bravour bestanden. Heute arbeitet er, bestens integriert, in einer Apotheke in Münster-Nord.
Zur besseren Orientierung über die integrativen Angebote in Greven wurden Flüchtlinge außerdem in einer Sprechstunde intensiv beraten. Dazu hat das BIMS folgende (visuell leicht verständliche) Flyer entwickelt:
Als Besonderheit der spendenbasierten Sprachkurse ist die am Bedarf der Teilnehmenden freie/passgenaue Unterrichtsgestaltung zu nennen. Bei gemeinsamen Aktivitäten wie Marktbesuchen oder Ausflügen wird auf praktische, handlungsorientierte Art und Weise Deutsch gelernt. Der absolute Höhepunkt für viele Sprachkursteilnehmer/innen war die von der Flüchtlingshilfe Greven initiierte Schlössertour durch das Münsterland.
Schlössertour im Münsterland: Sprache, Kultur und Wasserschlösser
Bei strahlendem Sonnenschein machten sich im Juli 2018 mehrere Familien aus Syrien, Afghanistan und Eritrea sowie interessierte Ehrenamtliche in einem gecharterten Bus auf den Weg (siehe auch unseren Blog-Beitrag vom 23.10.2018 “Steinfurt rockt”).
Erste Station war das wunderschöne Wasserschloss Nordkirchen – das ist immer einen Ausflug wert!
Neben dem großartigen Picknick am Wasserschloss war aber die Burg Hülshoff mit den blumenreichen Gartenanlagen der Höhepunkt des Tages. Die Burg Hülshoff ist der Geburtsort der großen deutschen Poetin Annette von Droste-Hülshoff (Vidoeclip). Dort wächst derzeit das “Center for Literature” für Literatur, Film, Performance, Tanz, Musik, Medien- und Netzkunst, Architektur & Gesellschaft.
Alle Ausflügler machten Fotos, um sie sofort an die Familien in Kabul (Afghanistan) oder auch Hasaka (Syrien) zu senden. Von der Flüchtlingshilfe waren Heinz Kues und Dr. Bernhard Hülsken als Initiatoren dabei. Sie wollten mit diesem Angebot den neu angekommenen Familien das Münsterland näherbringen und so auch auf diese Art einen Beitrag zur Integration leisten. Außerdem sollte durch die Schlössertour etwas Freude und Abwechslung in den Alltag kommen. Denn der Alltag ist oft nicht so leicht zu bewältigen. Menschen mit Fluchterfahrung leiden neben der sprachlichen und kulturellen Entwurzelung häufig unter Traumatisierungen und sorgen sich permanent um ihre in der Heimat zurückgebliebenen Verwandten und Freunde. “Aber auch aus sprachdidaktischer Sicht war der gemeinsame Ausflug und das Lernen vor Ort ein voller Erfolg”, meinte Dr. Klute, der den Ausflug als Münsterlandexperte geleitet und die Fotos zur Verfügung gestellt hat.
Wir danken Herrn Kues und Herrn Dr. Hülsken von der Flüchtlingshilfe der Katholischen Pfarrgemeinde St. Martinus Greven für diese gelungene Kooperation. Dank ihres Engagements, der vielfältigen Ideen und unkomplizierten Umsetzung konnten wir gemeinsam effektiv zur gelungenen Integration von Flüchtlingen in Greven beitragen.