Das BIMS-Motto „Lernen mit Zukunft“ hat unsere ehemalige Teilnehmerin Evelin Ulrich perfekt umgesetzt. Wir wollen euch in mit diesem “Best Practice Beispiel” hier im Blog einmal zeigen, wie sich Mut, Fleiß, Ausdauer und Flexibiltät für Evelin gelohnt haben! Herzlichen Dank liebe Evelin, dass wir deinen persönlichen und beruflichen Werdegang (zur Nachahmung empfohlen!) und deine Fotos hier veröffentlichen dürfen.
Russland – Evelins Heimat
Evelin wurde 1983 in Swetly, einer kleinen Siedlung mit nur einer Mittelschule, geboren. Ihre Muttersprache ist russisch, doch da sie sich für Sprachen interessierte, war es ihr Traum, Dolmetscherin zu werden. Also begann sie nach der 11. Klasse in Orenburg, 40 km von zu Hause entfernt, ein Germanistikstudium.
1990
2000
2000
Evelin: von der Schülerin – 1. Klasse + Abschluss 11. Klasse – zur Studentin
Doch 2003, sie stand kurz vor der Diplomarbeit, musste sie ihr Studium abbrechen. Warum? Ihre Eltern hatten andere Pläne für die Familie: sie wollten nach Deutschland auswandern, da sie sich bessere Perspektiven für ihre bald drei Kinder erhofften. Die Familie hatte schon einige Jahre zuvor ein Visum beantragt und im Mai 2001 bereits einen Sprachtest beim russischen Konsulat (in Saratov) absolviert. Das positive Ergebnis, das Voraussetzung für die Ausreiseerlaubnis war, wurde aber erst am 12. Dezember 2002 verkündet. Nun hatte die Familie nur noch rund vier Monate Zeit für die Organisation ihrer Ausreise, danach wäre das Visum ungültig geworden, all die Jahre des Wartens wären umsonst gewesen.
Auswanderung nach Deutschland – Startbahn frei …
Koffer wurden gepackt, das Hab und Gut, das nicht mitgenommen werden konnte, an Verwandte verschenkt oder verkauft. Mitnehmen konnten sie insgesamt nur drei Koffer: Wechselsachen für die erste Zeit, Bettwäsche, Fotos, wichtige Dokumente, Erinnerungsgeschenke und das angesparte Geld. Die Auswanderung war mit vielen Hoffnungen verbunden, aber auch mit Ängsten und Unsicherheiten und mit dem Abschied von der Heimat, von Verwandten und Freunden. Evelin war mit ihren Eltern, ihrer jüngeren Schwester und den Großeltern schließlich drei Tage lang über 3.600 km im Bus unterwegs bis sie endlich am 12.04.2003 in Deutschland ankam. Sie erinnert sich daran, dass sie viel geweint hat … vor Freude, Angst und Nostalgie gleichzeitig.
Friedland war der erste Stopp für die Familie. Das Lager Friedland ist seit 2002 die einzige Erstaufnahmeeinrichtung für Spätaussiedler in Deutschland. Als Aussiedler und Spätaussiedler versteht man Zuwanderer deutscher Abstammung, die aus einem Staat des (ehemaligen) Ostblocks in die Bundesrepublik Deutschland kamen, um dort ansässig zu werden.
Nach drei Tagen Aufnahmeverfahren und Arztuntersuchungen ging es für die Familie in die Landesstelle Unna-Massen, für hunderttausende von Aussiedlern und Flüchtlingen Startpunkt in die deutsche Gesellschaft. Da bereits zwei Brüder von Evelins Vater seit sieben Jahren in Ascheberg wohnten, zogen auch sie im Mai 2003 dorhin. Bald hatte sich die Familie ganz gut eingelebt und im Dezember 2003 krönte die Geburt von Evelins Bruder ihr Glück. Gewohnt hat die Familie bis März 2004 zu fünft (mit dem Baby) in einer Notwohnung mit nur einem Zimmer! Es gab keine Chance, sich zurückzuziehen oder mal Ruhe zu finden.
Start im BIMS – Bitte anschnallen Evelin …
Da Evelin zum Zeitpunkt ihrer Einreise bereits 19 Jahre alt war, kam ein Schulbesuch für sie nicht mehr in Frage. Sie sprach bereits etwas Deutsch, hatte die Fachoberschulreife, aber ihr abgebrochenes Germanistik-Studium war in Deutschland leider nicht weiter verwertbar. Der für sie zuständige Berater der Agentur für Arbeit (AfA) in Lüdinghausen schlug Evelin einen einjährigen Kurs beim BIMS in Münster vor. Der Lehrgang „Vorbereitung auf Ausbildung und auf die Prüfung zum Hauptschulabschluss“ wird seit 1999 bis heute erfolgreich im BIMS durchgeführt. Vermittelt werden Kenntnisse in Deutsch, Mathematik, Englisch (oder Hauswirtschaft), Biologie, Wirtschafts- und Soziallehre, EDV und Bewerbungsmanagement. Der Lehrgang bereitet auf die Berufsschule vor, vermittelt fehlendes Schulwissen, berufsbezogene EDV-Kenntnisse und kaufmännisches Grundwissen. Bewerbungen werden optimiert und durch mehrere Blockpraktika ein passendes Berufsfeld ermittelt. Die Teilnehmenden lernen (verschiedene) Betriebe kennen und können sich für einen Ausbildungsplatz empfehlen. Die enge sozialpädagogische Betreuung unterstützt die Teilnehmenden bei allen anfallenden privaten und beruflichen Herausforderungen und Problemen.
Da es kein Kursangebot an ihrem Wohnort Ascheberg gab, musste Evelin nun täglich 25 km mit dem Zug und dem Bus bis nach Münster pendeln. Das kennen bestimmt auch einige von euch – oder? Zum Glück ist die Bushaltestelle wenigstens direkt am BIMS. Bereits in ihrem Kurs 14.29 (Laufzeit: 09/2003 – 08/2004) zeigte sich Evelins Zuverlässigkeit und Zielstrebigkeit. Sie war jeden Tag pünktlich und hatte nur zwei Fehltage in dem ganzen Jahr. Da sie schnell den Führerschein machen wollte, riskierte sie keine Kürzung der finanziellen Unterstützung durch die AfA. An den Wochenenden arbeitete sie parallel über mehrere Jahre als Kellnerin in einer Disco, um sich so das Geld für den Führerschein zu verdienen. Dank Ihres Fleißes schaffte sie schließlich auf Anhieb ihre Führerschein-Prüfung.
Evelin ist bis heute besonders in Erinnerung geblieben, unter welchen schwierigen Umständen sie ihre Hausaufgaben und das Vokabellernen erledigt hat. Da es zu fünft in einem Zimmer mit Baby keinen Platz und keine Ruhe zum Lernen gab, blieb ihr nur das WC als Lernort. Ihre Kursleiterin Emilia Welker (s. Foto rechts) fragte häufig nach, wie und wann Evelin ihre Hausaufgaben überhaupt anfertigen konnte, denn ihr war Evelins Wohnsituation bekannt. Evelins Antwort lautet stets: „Na ja, Nachts – auf dem Klo“. Sowohl Emilia Welker als auch die damaligen sozialpädagogischen Betreuerinnen waren sehr beeindruckt von Evelins Eifer und ihrer Arbeitshaltung.
Praktikumserfahrungen – Evelins Flug ins Glück?
Im Rahmen des Lehrgangs absolvierte Evelin ihr erstes Praktikum über 3 Wochen bereits im Oktober 2003 im Büro der Lkw-Werkstatt Kaiser Ascheberg GmbH. Glücklich war sie dort aber nicht. Es gefiel ihr nicht, nur mit Autos und dem Zubehör statt mit Menschen zu tun zu haben. Vielmehr war es ihr Wunsch, einen Praktikumsplatz zu finden, wo sie mit vielen Menschen zu tun hatte. „Kommunikation, Papierkram, Telefonate … das sind mein Traum“, sagte Evelin nach dem 1. Praktikum zu ihrer Kursleiterin.
Da im BIMS alle sehr von Evelins Motivation, ihrer Freundlichkeit und Zuverlässigkeit beindruckt waren, wurde ihr dann ein Praktikumsplatz in der Verwaltung der Abteilung „Kaufmännische Bildung“ angeboten. Evelin war zuerst “regelrecht geschockt” von dem Angebot! Ihre Anleiterin Simone Brolle (s. Foto rechts) stellte in den vier Wochen Anfang 2004 schnell fest, dass Evelin sehr viel Ehrgeiz aber keinerlei Ahnung von der Arbeit am PC hatte! „Ich habe wirklich im Kurs zum ersten Mal einen echten PC gesehen“, verriet uns Evelin. Erst recht waren das 10-Finger-System und Programme wie Word, Excel und die Datenbank Access totales Neuland für sie. Dennoch meinte Evelin: „alles andere war, wie ich es mir gewünscht hatte und da wusste ich, im Büro war ich definitiv am richtigen Platz“!
Während des Lehrgangs „Vorbereitung aus Ausbildung“ hat Evelin besonders die tollen Ausflüge und eine Klassenfahrt über ein Wochenende nach Paris genossen. Evelin durfte ihren damaligen Freund und jetzigen Mann sowie ihren Cousin mitnehmen. Laut Evelin waren die Praktika und die Unterstützung durch die sozialpädagogische Begleitung auch besonders wertvoll für sie. Die Fächer-Vielfalt während des Lehrgangs überraschte sie. Als sie im Englischunterricht, einem Fach, dass sie nie zuvor hatte, gefragt wurde: „Was kennen Sie auf Englisch?“ fiel ihr nur der Satz „I love you!“ ein. Das Gelächter im Kurs war sehr groß.
Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation – Evelin im Landeanflug
Als im BIMS eine kaufmännische Auszubildende gesucht wurde, waren sich Simone Brolle, Emilia Welker und Bettina Lülf einig: sie schlugen Evelin vor. Evelin war erfreut, aber auch erschrocken: „Ich hatte RICHTIG Angst, denn dann hieß es ja wieder drei Jahre zur Schule gehen, neue Fächer lernen und ich dachte doch, ich kann doch kaum Deutsch“. Ihre Familie unterstützte Evelin sehr, indem sie ihr klar machte „etwas Besseres kann dir nach so einer kurzen Zeit in Deutschland nicht passieren“. Also schrieb Evelin die allererste Bewerbung ihres Lebens mit Hilfe von Simone Brolle. Schnell folgte ihr allererstes Vorstellungsgespräch (02/2004) mit dem damaligen Geschäftsführer Herrn Menke. Evelin war froh, dass in dieser schwierigen Situation Simone Brolle an ihrer Seite war. Denn “vor dem BIMS-Chef zu sitzen und das Gefühl zu haben, kaum Deutsch zu sprechen”, fand sie schlimm. Sie hat ihr Bewerbungsgespräch aber hervorragend gemeistert und bekam schnell die Zusage. So hat Evelin gerade mal ein Jahr nach ihrer Einreise im Mai 2004 den Ausbildungsvertrag im BIMS “ÜBERGLÜCKLICH und mit Tränen in den Augen” unterzeichnet. Eine mega Leistung!
Das 3. Praktikum des Lehrgangs absolvierte Evelin in Vorbereitung auf ihre Ausbildung daher über drei Monate im Sommer 2004 im BIMS. Stolz berichtet Evelin, dass unsere Kollegin Emilia Welker sie bis heute „unsere Musterschülerin“ nennt und Simone Brolle stets „meine Evelin“ sagt. Die Praktika und eine spätere Aushilfstätigkeit als Vertretung in der Zentrale waren laut Evelins Aussage sehr wichtig, weil sie dort ihre Deutschkenntnisse verbessern konnte. Zu Hause wurde mit den Eltern, Großeltern und Geschwistern ja weiterhin nur russisch gesprochen.
Die drei Ausbildungs-Jahre vergingen wie im Flug. Schnell gehörte Evelin fest zum BIMS-Team!
Sie übernahm jede Aufgabe, die man ihr gab und erledigte alles im Handumdrehen mit einem Lächeln. Ihr freundliches Wesen kam immer mehr zum Vorschein, nachdem sie sich eingelebt und eingearbeitet hatte.
Alle waren sich sicher: Evelin + Büro + BIMS = das passt hervorragend!
Die Abschlussprüfung bestand Evelin 2007 wie erwartet mit der Note „gut“, worüber alle sehr glücklich waren. Ihre Eltern waren besonders stolz auf sie.
Festanstellung im BIMS – Landung im Job
Nach der Ausbildung und dem guten Abschluss wurde Evelin nahtlos im Juli 2007 fest ins BIMS-Team übernommen. Sie bekam ein eigenes Büro in der Abteilung Berufsvorbereitsungslehrgänge in der BIMS-Zentrale. Dort arbeitete sie zuerst mit Ulrike Terwort und Waldemar Fuchs zusammen. Ihre Aufgabe war es, die vielen Integrationssprachkurse zu verwalten, Interessenten zu beraten und sie für die Kurse anzumelden.
Vereinbarkeit von Familie & Beruf – Landung in der Ehe
Kurz darauf verkündete Evelin stolz, dass sie ihren Freund heiraten werde. Im April 2008 war es soweit, zur Hochzeit der beiden kam gefühlt das halbe BIMS, auch der damalige Geschäftsführer Herr Menke und damalige Schulleiter Herr Zumkley.
Ruckzuck wuchs die Familie, das erste Kind kam bald zur Welt. Evelin blieb dem BIMS nach kurzer Elternzeit aber Gott sei Dank mit einem Mini-Job erhalten. Sie arbeitete ab 2009 an drei Tagen/Woche im BIMS in Münster in der Infozentrale und in der Buchhaltung bei Gabi Hens. Da Evelins erste Kinderbetreuungsmöglichkeit (U2) jedoch in Herbern lag, d.h. ca. 8 km vom Wohnort Ascheberg entfernt, kam viel Fahrerei zusammen. Eine anstrengende Zeit mit einem Kleinkind. Als ihre Tochter in den Kindergarten kam, wurde es einfacher. Es folgte prompt eine Teilzeitbeschäftigung im Bereich Berufsvorbereitungslehrgänge bei Brigitte Bardtke-Walter. Evelin arbeitete nun 25 Stunden/Woche und übernahm ab Ende 2011 wieder die Verwaltung der Sprachkurse in der BIMS-Zentrale.
Als Evelin die zweite Tochter im Juni 2013 bekam, übernahm sie nach nur 3 Monaten für 4 Wochen die Urlaubsvertretung für Karin Sporkmann (Zentral-Verwaltung). Auch jetzt war sie – als zweifache Mama – stets pünktlich! Morgens um 8:00 Uhr kam Evelin mit Baby, Babyschale und Kinderwagen ins Büro. Da sie ihre Tochter noch stillte, kam zwischendurch ein Schild an die Tür „Bitte nicht eintreten“ und „Bitte leise“ – das funktionierte sehr gut. Evelin bewies wieder einmal jede Menge Ehrgeiz und Flexibilität. Sehr zum Glück für das BIMS!
Seit Herbst 2014 arbeitet Evelin in der BIMS-Nebenstelle in Ahlen (Kreis Warendorf) unter Leitung von Kathrin Mühlenbäumer. Ihre Hauptaufgaben waren zunächst für 20 Stunden/Woche die Rechnungslegung und die Verwaltung aller am Standort WAF laufenden Kurse. Diesmal hatte Evelin stets eine Auszubildende zur Unterstützung an ihrer Seite, seit 2017 ist dies Janina Schwienteck.
Weiterbildung & Aufstocken – Abflug zu höheren Zielen
Typisch für Evelin – 2016, als ihre beiden Töchter etwas größer waren (3 + 8 J.) und ihr Mann sein Studium absolviert hatte, dachte sie sich, sie müsse sich nun weiterbilden. Sie wollte mehr erreichen, als nur den Abschluss „Kauffrau für Bürokommunikation“. Warum? „Um die Zukunft der Familie gut abzusichern, zukünftig mehr Verantwortung zu übernehmen und mehr Geld zu verdienen,“ meinte sie lachend.
Evelin absolviert seit 2016 berufsbegleitend den Bildungsgang zum „Betriebswirt (staatlich geprüft)“ an der Fachschule für Wirtschaft des Ludwig-Erhard Berufskollegs in Münster. Die Schule kennt Evelin schon aus ihrer Ausbildungszeit doch nun geht sie dort zur Abendschule, d.h. Unterricht ist an zwei Tagen/Woche von jeweils 17:30 – 22:00h. Gefördert wird die acht Semester lange Weiterbildung vom Land NRW. Vermittelt werden Führungskompetenzen und Bewältigungsstrategien für komplexe berufliche Aufgabenstellungen. Im Sommer steht eine umfangreiche Studienarbeit an: Evelin wird dafür mit ihrer Projektgruppe die “Markt- und Konkurrenzanalysen” des BIMS beleuchten und optimieren.
Seit 05/2017 arbeitet Evelin 25 Stunden/Woche als Büroleitung im BIMS-Ahlen. Sie ist für den kompletten Bereich des Sekretariats- und Rechnungswesens im Kreis Warendorf inklusive der Betreuung der Azubis zuständig und wuppt das Ganze hervorragend! Es ist nicht immer leicht für Evelin den Job, Familie, Abendschule, KiTa, Haushalt und alle möglichen Termine unter einen Hut zu bringen. Große Unterstützung erfährt sie durch ihre Eltern sowie ihre Großmutter. „Aber die Klausurzeiten sind definitiv am Schlimmsten“ sagt Evelin. Dann kämpft sie wieder mit Schlafmangel, denn nur nachts findet sie die Ruhe, um ungestört zu lernen und zu arbeiten. Evelin bemerkt grinsend, “ihre innere Uhr funktioniere nun nach dem 5. Semester aber inzwischen einwandfrei!”.
Unser Fazit – Perfekte Landung!
Auf der Weihnachtsfeier 2017 feierte Evelin bereits ihr 10-jähriges Jubiläum als BIMS-Mitarbeiterin! Mit unglaublich viel Mut, Fleiß, Zielstrebigkeit und Flexibilität sowie einer riesigen Portion Freundlichkeit und Humor hat Evelin ihren bisherigen Weg super gemeistert. Wir sind sehr glücklich und stolz, dass Evelin ein Teil des BIMS-Teams ist und hoffen, dass sie uns noch viele Jahre als Mitarbeiterin erhalten bleibt.
(Foto BIMS 12/2017, v. links n. rechts: ehemaliger Schulleiter M. Zumkley, Evelin Ulrich, ehemaliger Geschäftsführer G. Menke)